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Kolumne des Einwohnerratspräsidenten: Sorge tragen zur Demokratie

Traditionsgemäss berichtet das Präsidium des Einwohnerrates zum Ende der Amtszeit über seine Arbeit und Erfahrungen.

Liebe Binninger

Die Demokratie ist ein wertvolles Gut. In der Schweiz haben wir die Möglichkeit nicht nur alle paar Jahre ein Parlament zu wählen und das war es dann auch wieder mit der Mitbestimmung, sondern wir können auch über konkrete Themen an der Urne befinden. Das direktdemokratische Modell der Schweiz ermöglicht es der Stimmbevölkerung Entscheide des Parlaments zu genehmigen oder abzulehnen. Zudem können beispielsweise mittels Initiative Anliegen auf das politische Parkett gebracht werden. Eine solche Möglichkeit der Einflussnahme ist nicht selbstverständlich und etwas, wofür die Schweiz aus vielen Teilen der Welt beneidet wird. In unserer Gemeinde herrscht erfreulicherweise ein aktiver politischer Diskurs. Der Einwohnerrat hat sich im letzten Amtsjahr zu acht Sitzungen getroffen und dabei eine Vielzahl von Geschäften behandelt. Darunter hat es als Novum gleich über zwei Jahresabschlüsse befunden – den verspäteten Abschluss 2022 sowie den ordentlichen Abschluss 2023. An den Sitzungen wurden unter anderem die Statuten des Zweckverbandes Versorgungsregion ABS genehmigt, das Ruftaxi war wieder einmal Thema und der Einwohnerrat beschloss die Aufhebung der Nachtabschaltung der Strassenbeleuchtung, welche im Jahr 2022 aufgrund der Energiemangellage eingeführt wurde. Das wohl wichtigste Geschäft ist die Anpassung der Gemeindeordnung und des Finanzreglements mit einem Paradigmenwechsel von der Schuldenbremse zur Defizitbeschränkung. Dies ist aus Sicht des Einwohnerrates notwendig, da die anstehenden und teils schon beschlossenen Investitionen mit künftigen Budgets die Schuldenbremse gemäss heutigen Regeln verletzen werden. Das Binninger Stimmvolk wird sich noch dieses Jahr dazu äussern können. Apropos Volksentscheid. Sie haben sicher mitbekommen, dass der Margarethenstich in neuer Form aufgegleist wurde. Als Vorsteher des Einwohnerrates, seinerseits fungierend als Volksvertretung, muss ich meine tiefste Besorgnis über das vorliegende Projekt zum Ausdruck bringen. Es ist legitim, Themen aus der Vergangenheit nach einiger Zeit wieder neu zu diskutieren. Die Art und Weise, wie dieses Projekt jetzt aber daherkommt zeugt von einem schlechten Demokratieverständnis und – ich muss mich hier deutlich ausdrücken – ist ein Affront gegenüber der Stimmbevölkerung. Bei der Abstimmung hat das Baselbiet dieses Projekt abgelehnt. Darunter auch alle direktbetroffenen Anliegergemeinden. In Binningen fiel die Ablehnung mit über 70 % äusserst deutlich aus. Dass das Projekt nun bewusst so aufgegleist wurde, dass es auf Seiten Baselland rein in der Finanzkompetenz des Regierungsrates liegt und somit keine reelle Mitsprachemöglichkeit für die Bevölkerung besteht, ist eine Zwängerei und eine bewusste Missachtung eines Volksentscheides. Man darf sich anhand solcher Handhabungen dann einfach nicht wundern, wenn Stimmen laut werden die sagen, die Politik mache, was sie wolle und es bringe nichts an die Urne zu gehen. Ich hoffe inständig, dass solche Vorgehensweisen nicht zum Standard werden und die Parteien und Parlamentarier sich für die Respektierung der Volksentscheide einsetzen. Ein ausbreitender Vertrauensverlust in die Politik wäre schliesslich nicht gut für unsere Demokratie. Und genau zu dieser sollten wir Sorge tragen. 

Einwohnerratspräsident, Roman Oberli

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